Die Gültzaus sind morgens früh nach Venedig aufgebrochen, während ich im Bett noch ein wenig vor mich hin döste, wovon Jörg netterweise noch ein Foto machte:
Irgendwann hatte ich mich dann auch aufgerafft und nach dem Duschen begonnen meine Sachen zu packen. Der Abschied fiel mir dabei unglaublich schwer. Nicht nur hatte ich hier den Luxus von einem bequemen Doppelbett, einem fantastischen Ausblick, sondern vor allen Dingen auch die Gastfreundschaft und Gesellschaft von den Gültzaus, denen ich hier auch noch einmal danken möchte!
Nach mehreren Wochen Abenteuer waren das drei Tage pures Urlaubsfeeling. Die Aussicht auf einen Zeltplatz in einer Stadt weit entfernt vom Gardasee war etwas, auf das ich so gar keine Lust hatte. Der Morgen war wie ein Spiegelbild meiner Laune: kalt und bewölkt. So kam ich deutlich später, als geplant erst um 10:30 Uhr los. Der Start jedoch war super. Es ging erst einmal viel bergab, mit dem "La La Land"-Soundtrack im Ohr und Blick auf den wunderschönen Gardasee. Doch dann begann das Schlamassel. Der bisherige (Stand 22. April) Tiefpunkt meiner Reise. Der Weg, den meine App für mich vorgesehen hatte schlängelte sich etwa 400 Höhenmeter einen Berg herunter.
Es war steinig, schmal und sehr steil, außerdem gab es zahlreiche Kurven - unmöglich zu befahren. So schob ich mein Fahrrad die ersten Meter herunter musste es allerdings da schon mehrfach tragen. Das Ganze dauerte so lange, dass mir jetzt schon klar wurde, dass die angegebenen etwa fünf Minuten für die Strecke unmöglich zu schaffen waren, ich rechnete mit einer knappen Stunde. Irgendwann kam mir dann eine Familie entgegen. Der Vater sagte mir, dass ich erst 1/5 der Strecke geschafft hatte und er es mit dem Fahrrad für unmöglich hielt den Weg irgendwie hinunterzukommen. Er bot mir an bei dem Weg zurück bergauf zu helfen, doch von dort aus war der Weg nach Cremona deutlich länger. So entschied ich mich dazu mein Fahrrad und das ganze Gepäck einzeln nach unten zu tragen.
Ich schloss mein Fahrrad ab und brachte erst mein Gepäck in zwei Touren etwa einhundert Meter weiter nach unten. Das war unglaublich anstrengend, denn der Weg war alleine zum Wandern bereits anspruchsvoll mit dem schweren Gepäck noch ätzender. Dann kam noch mein Fahrrad dazu, das ich letztendlich nicht mehr schieben konnte und tragen musste.
Am Ende half mir noch ein netter Familenvater und trug zwei von meinen vier Taschen für mich nach unten. Nach über zwei Stunden stand ich vollgeschwitzt und völlig am Ende mit allem Gepäck unten und hatte es geschafft - den schwierigsten Teil der Strecke, den ich mir als die schönste bergab-Strecke ausgemalt hatte und damit leider auch nur die ersten etwa 6 Kilometer. Es war 14 Uhr und ich hatte noch über 110 Kilometer vor mir. Zimmer für die nächsten beiden Übernachtungen hatte ich schon gebucht und deshalb keine Ahnung, wie es jetzt weitergehen sollte. Also rief ich meinen Papa an, um ihn um Rat zu fragen. Mein Papa wies mich darauf hin, dass ja im Prinzip nichts schlimmes passiert sei, ich hatte mich nicht verletzt und mir war nichts geklaut worden. Das beruhigte mich sehr, doch schon beim Erzählen meiner beschissenen Situation hatte ich angefangen wie ein Kleinkind zu heulen.
Mein Papa schlug vor zu versuchen das Hotel für den morgigen Tag zu stornieren und heute nur eine kurze Strecke zu fahren, da er die Strecke nach Cremona für nicht möglich hielt. Danach fragte er mich noch, ob ich mit meiner Mama sprechen wollen würde, denn die hatte ausgerechnet an diesem Tag ihren 50. Geburtstag, doch ich war überhaupt nicht in de Stimmung und befürchtete sie mit meinem Geheul runterzuziehen, also lehnte ich ab. Nach dem Telefonat zog ich erst mal meine vollgeschwitzten Sachen aus, um sie in der Sonne zu trocknen und stand dann halbnackt heulend an einem der schönsten Orte Europas.
Nach der Pause entschied ich mich dazu doch nach Cremona zu fahren, denn ich wollte so schnell es ging ans schöne Mittelmeer. So machte ich ordentlich Tempo, doch kam nach nur wenigen Kilometern an eine Absperrung, die sich nur sehr schlecht umfahren ließ.
Ich beschloss doch bei dem Hotel anzurufen und zu fragen, ob ich das Zimmer stornieren könne, doch leider ging dort niemand ans Telefon, sodass ich einen Umweg suchte und schnell weiterfuhr, um am Abend doch noch in Cremona anzukommen. Ich kaufte mir noch ein wenig Proviant für den Weg und füllte an einem öffentlichen Wasserhahn meine Trinkflasche auf. Zunächst ging es dann wieder durch wenige Tunnel, doch in dem Moment war es ziemlich gut nicht noch zusätzliche Eindrücke zu bekommen, da ich mit mir selbst und meinem Selbstmitleid genug zu tun hatte.
Um ganz ehrlich zu sein, war der restliche Weg dann unglaublich schön.
Hauptsächlich ging es an einem Fluss vorbei und bis auf die ganzen Viecher, die mit aller Macht versuchten mein Gesicht zu treffen, war die Strecke sehr angenehm. Die vielen Wasserhähne, die am Rand des, bei Wanderern und Radfahrern beliebten, Weges standen, waren dabei meine Rettung, denn so konnte ich immer wieder meine Trinkflasche auffüllen. Diese Wasserhähne sind wirklich etwas aus Italien, das es unbedingt auch im Rest Europas geben sollte, genauso, wie Bänke!
Außer einer Sonnecreme-, einer Pinkel-, und zwei Trinkpausen fuhr ich die ganze Zeit durch und kam so noch vor 20 Uhr in Cremona an. Ich hielt noch bei einem Café, um mir dort ein Stück Kuchen und einen Keks für den Abend im Zelt zu kaufen und als die Verkäuferin auf einmal hinten im Laden verschwand stibitzte ich mir noch ein paar Schokobons aus der Schüssel, die auf dem Tresen stand.
Als ich bei dem Campingplatz ankam, der sehr schlecht zu finden war, musste ich dort feststellen, dass der geschlossen hatte. Also suchte ich ein Hostel, in dem noch ein Bett in einem Mehrbettzimmer frei war, in dem bereits zwei Italiener waren. Da diese etwas älter waren, war ich mir immerhin sicher, dass sie keine Party veranstalten würden, doch die böse Überraschung kam später. Vorher rief ich noch einmal bei meinen Eltern an und konnte meiner Mutter nun richtig zum Geburtstag gratulieren. Da ich am nächsten Tag 150 Kilometer vor mir hatte, wollte ich früh aufstehen und damit ich meine zwei "Mitbewohner" am Morgen nicht zu sehr störte, beschloss ich am Abend vorzuduschen. Als ich mich dann hinlegte kam die böse Überraschung, denn der ältere stark übergewichtige Italiener schnarchte so laut, wie ich es in meinem Leben noch nie gehört hatte. So konnte ich insgesamt höchstens vier Stunden schlafen und verbrachte den Großteil der Nacht damit regelmäßig genervt aufzustöhnen und mir zu überlegen, wie ich ihn am Besten zum Schweigen bringen könnte.
Kurzzeitig überlegte ich mit meiner Isomatte in das Bad umzuziehen, doch auch da, so musste ich feststellen, brummte es durchgehend. Ich überlegte, wie viele Jahre man für Mord bekommt und ob Schnarchen als strafmildernd angesehen wird. Jedenfalls verfluchte ich den verdammten Tag und versuchte mit Kopfhörern im Ohr ein paar Minuten Schlaf zu bekommen.
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