Ich hatte mir für den Tag zwar einiges vorgenommen, entschied mich dann aber unfreiwillig dazu auszuschlafen und plante den Tag morgens ganz in Ruhe. Felix empfahl mir einen Markt zu besuchen, der ganz in der Nähe war und mir eine ganz neue Seite von Wien zeigen sollte. So stand mein erstes Ziel fest und nachdem ich beim Bäcker ein bisschen Frühstück und Proviant gekauft hatte, begab ich mich zum Markt in die Brunnengasse, die mich tatsächlich in eine ganz andere Welt entführte. Dieser Markt und die ihre Ware lauthals einpressenden Verkäufer standen in einem krassen Gegensatz zu dem sonst so feinen Wien.
Nach diesem spannenden Abstecher, stand der erste Touri-Magnet an - das Rathaus. Auf dem Weg dahin kam ich an einer Eisdiele vorbei, die Zimteis verkaufte und wenn es irgendwo Zimteis gibt, dann kaufe ich das auch. Mit entspannter Musik im Ohr und Zimteis auf der Zunge sah ich mir das Rathaus von außen und innen an und beides war sehr schön. Durch die Türme und Fenster wirkte es, wie eine Mischung aus Schloss und Kirche.
Während ich mich nun in Richtung Schlossgarten begab, fuhren einige Pferdekutschen an mir vorbei und ich freute mich, dass Wien heute jedes gute Klischee erfüllte. Auch der Schlossgarten war so schön, dass es mich wunderte, wie wenig Menschen hier unterwegs waren, war es doch schön warm und in jeder Himmelsrichtung mindestens eine Sehenswürdigkeit zu bewundern. Ich sah mir das Naturhistorische Museum sowie das Parlament von außen an und freute mich, dass ich Wien nun so erkunden konnte, wie ich es wollte. Denn jede einzelne Sehenswürdigkeit von innen zu sehen, wäre mir doch etwas zu viel gewesen.
Ich glaube, dass man in Wien den Satz "Gibt es hier denn nirgendwo Kuchen?" wahrscheinlich nie hören wird. Überall gibt es Cafés, Patisserien oder andere Möglichkeiten an süße Versuchungen, wie zum Beispiel die landestypischer Mozartkugeln zu kommen. Die waren mir etwas zu teuer, dafür entdeckte ich in einem Schaufenster ein Schild, welches kleine Pralinen mit Marzipan und Mohn anpries. Nach diesen erkundete ich mich in dem Laden, doch sie hatten nur noch welche mit Marzipan und Walnuss. Da ich davon nur ein kleines Stück kaufen wollte, bekam ich dieses sogar geschenkt. Ich sorgte also fleißig dafür, dass mein Körper alle Kalorien, die er beim Durch-die-Stadt-Schlendern verbrauchte auch wieder bekam.
Ich schlenderte weiter durch Wien und stellte fest, dass das meine Lieblingsart war eine Stadt zu erkunden: Nicht planen, nicht die Touristenlieblinge besuchen, sondern einfach nur Schlendern. Ich schlenderte also weiter in Richtung einer Vapiano-Filiale. Bei einem Gespräch vor meiner Reise mit meinen Eltern über meine sehr wählerische Ernährung (in Hamburg sagt man dazu "krüsch") versicherte mir mein Vater in Bezug auf meine Pizza-Liebe, dass es in Wien eine Vapiano-Filiale gibt und er mich auf ein Essen einladen würde. Ich nahm ihn beim Wort und aß eine Pizza und dazu noch einen Nachtisch, den ich mir sonst vielleicht nicht gegönnt hätte. Außerdem nutzte ich das WLAN um die weitere Reise zu planen.
Danach guckte ich, wo ich in Wien am besten "Die Schöne und das Biest" gucken könnte, denn ich wollte mir die Verfilmung meines Lieblingsmärchens mit einer meiner Lieblingsschauspielerinnen auf jeden Fall im Kino ansehen. Ich fand heraus, dass im gegenüberliegenden Gebäude nicht nur eine Buchhandlung, sondern auch ein Kino war, das den Film in ein paar Minuten zeigen würde. Ich bezahlte also schnell und begab mich dann in Richtung Kino. Im Internet hatte ich noch einen Ermäßigungscode für das Kino gefunden, sodass ich den Film relativ günstig sehen konnte. Mit vielen Kleinkindern, die mir ein wenig zu viel redeten sah ich mir also den Film an. Ja, der Film ist einen Ticken zu lang und das Biest ist nicht perfekt animiert, aber insgesamt hätte man den Film nicht viel besser hinkriegen können. Ich finde ihn sogar noch besser, als den Zeichentrick-Film, denn die grandiosen Schauspieler verleihen den Figuren zusätzliche Tiefe, das Drehbuch lässt die Annäherung von Belle und dem Biest noch realistischer erscheinen und man hat das Gefühl, dass die zusätzlichen Lieder im Zeichentrickfilm fehlen. Besonders zu empfehlen ist das Lied "Evermore", das ich seitdem während der Fahrt wahlweise auf Deutsch oder Englisch laut mitsinge, wenn gerade kein Mensch zu sehen ist.
In der Buchhandlung stöberte ich noch ein wenig und entdeckte viele neue Bücher, die ich mir unglaublich gerne gekauft hätte, wenn sie nicht so schwer und die Kapazität meiner Satteltaschen so klein gewesen wäre. Ich las in der Anthologie "Seither denk ich dauernd an Dich - Besondere Liebesbriefe" und war begeistert von der Vielfalt der Autor/innen. Besonders schön fand ich die Texte von Isabel Bogdan, Mark Foster (das hat mich sehr überrascht) und Katrin Bauerfeind.
Nachdem ich beseelt lächelnd einen Großteil des Buches gelesen hatte und mir versprochen hatte es in Hamburg zu kaufen, begab ich mich nun in Richtung Hundertwasserhaus. Vorher sprach mich noch eine Frau vom "Wasser für die Welt" an - ein Gespräch, das mich wieder einmal ins Grübeln gebracht hat.
Langsam ging die Sonne unter und mit dem abnehmenden Licht wirkte das Hundertwasserhaus noch mehr besonders, als sowieso schon. Leider ließ sich das auf die Bilder nicht so gut übertragen.
Mein letztes Ziel für den Tag war dann der Prater, also der Teil mit Zuckerwatte und Riesenrad. Dort waren wir auch während der Klassenfahrt und so kamen die schönen Erinnerungen an die Fahrt wieder hoch und die Gedanken an all die Freunde in Reinbek oder verstreut im Rest der Welt.
Bei der Dämmerung sahen die Fahrgeschäfte manchmal sehr gespenstisch, manchmal aber auch ein wenig magisch aus. Hinzu kam, dass ein Großteil der Fahrgeschäfte noch nicht geöffnet hatte und auch nicht viele Menschen unterwegs waren. So war die Stimmung eine ganz besondere, ist der Ort doch sonst für Menschenmassen, Lichter, Musik und laute Durchsagen von Fahrgeschäftsbesitzern bekannt.
Das Karussell jedoch hatte geöffnet und so entschied ich mich kurzentschlossen dazu eine Runde mitzufahren. Ich wurde neben den einzigen Mann gesetzt, der auch alleine unterwegs war, was sich irgendwie doch etwas komisch anfühlte, saßen um uns herum nur Paare. Es stellte sich heraus, dass er nicht Deutsch und nur so schlecht Englisch sprechen konnte. Mit dem Karussell ging es dann schneller, als gedacht höher, als gedacht und wir gaben uns beide gegenseitig zu verstehen, wie toll die Aussicht hier war, wie schön die vielen Lichter, die wie ein Spiegelbild des Sternenhimmels auf der Stadt lagen (viele Grüße an dieser Stelle an alle meine Ex-Deutschlehrer/innen). Zaghaft schrien wir in die Nacht und ins Dunkel hinein, während ich mit der einen Hand meine Mütze, die drohte wegzufliegen und mit der anderen Hand mein Handy, um das ich auch etwas Angst hatte, festhielt. Er verabschiedete sich mit den Worten "Goodbye, my friend" und ich erkundete den Prater noch ein wenig, bis ich bei Google Maps nach dem Rückweg suchte.
Mit dem "Die Schöne und das Biest"-Soundtrack im Ohr und dem Donaukanal links neben mir war auch dieser Weg sehr schön. Ein paar Läufer liefen an mir vorbei und erinnerten mich an meinen Lauf-Abend während der Klassenfahrt am Donaukanal.
Obwohl mich die sechs Kilometer zunächst etwas abgeschreckt hatten, verflog die Zeit und ich war schnell bei Felix und Anna angekommen. Bevor es ins Bett ging, gab es dort noch eine Portion Nudeln, die mir nach dem ganzen Gelaufe sehr gut tat.
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