Nach zwei Wochen der intensiven Vorbereitung war nun also der Tag gekommen. Die Reise sollte losgehen. Sonntag Abend waren noch nicht alle Sachen fertig verpackt und so habe ich es auch nicht geschafft, wie geplant, um 07:30 Uhr loszufahren. Erst um kurz vor 09 Uhr war alles verstaut, die Familie verabschiedet und ich mit Sportklamotten und Helm ausgestattet.
Wenig optimistisch hatte mein Papa mir vor der Reise prophezeit, ich würde zurückkommen und sagen, ich hätte den ganzen Weg nur Gegenwind gehabt. Ich war da weniger pessimistisch und sah mich nach den ersten 50 km bestätigt, als der Wind auf einmal stärker und das Fahren schwieriger wurde. Auf geraden Strecken hatte ich mit dem vielen Gepäck keine Probleme, wenn es bergab ging, beschleunigte mich das zusätzliche Gewicht sogar, aber sobald es nur ein bisschen bergauf ging, merkte ich jedes Kilogramm, das mich aufhielt. Als der Wind dazu- und ich immer weniger weiter kam, entschloss ich mich eine kurze Pause zu machen. Ich sah mir die Natur an und drei Rehe, die sich die Natur ansahen und mehr war da nicht. Nur ein bisschen Grün und Wind. Ich konnte mich einfach mitten auf den Fahrradweg setzten, denn an meinem ersten Tag bin ich fast gar keinen Radfahrern begegnet, erst Abends, als ich ein Bremen angekommen war. Auf den Landstraßen fahren zwar auch nicht viele Autos, aber, dass ich als Fahrradfahrer so alleine sein würde, hätte ich nicht gedacht.
Die ersten Kilometer war ich am Freitag zuvor schon während meiner Testfahrt von Reinbek nach Buchholz und wieder zurück (insgesamt ziemlich genau 100 km) gefahren. Ich fuhr durch Glinde nach Billstedt und daraufhin nach Hamburg-Veddel. Dadurch, dass mir diese Strecke also relativ vertraut war, stellte sich ein Abenteuer-Gefühl zunächst nicht ein. Vielmehr dachte ich darüber nach, dass ich eigentlich viel aufgeregter sein müsste, schließlich startete ich gerade die längste Reise meines bisherigen Lebens, noch dazu alleine. Und so wurde ich aufgeregt, weil ich nicht aufgeregt wurde, sozusagen auf einer Meta-Ebene. Jan Böhmermann wäre stolz auf mich.
Weiter ging es an zahlreichen Lagerplätzen entlang, es roch nach Gewürzen und Tee, überall fuhren LKWs und es wirkte wie der Schauplatz einer Folge "Pfefferkörner". Viele der Einfahrten waren durch parkende Autos verdeckt, sodass ich fahrende Autos nicht gut sehen konnte und die Autofahrer mich nicht. Deshalb bin ich sehr vorsichtig und langsam gefahren. Trotzdem wäre es schon bei Kilometer 15 fast zu einem Unglück gekommen. Ich bin mit dem Fahrrad gerade in der Mitte einer Einfahrt angelangt und plötzlich fährt ein Auto mit mutiger Geschwindigkeit fast in mich rein. Wir bremsen beide und kommen mit dem Schrecken davon. Er entschuldigt sich mehrfach und mir wird klar, dass ich aufpassen muss, verdammt gut aufpassen. Denn es wäre doch schade, wenn der schöne Helm kaputt gehen würde...
Nach diesem Schrecken ging es nun über einige schöne Brücken durch die weniger schönen Teile Hamburgs und irgendwann sah ich dann die Elbphilharmonie in weiter Ferne und musste kurz innehalten.
Ganz klein konnte ich sie hinten sehen und wusste, dass ich sie erst in ein paar Monaten wieder sehen würde. Und, dass sie mit jedem Meter hinter mir kleiner werden würde und der ganze Rest dafür umso größer. Und mit der Erkenntnis, dass ich die Elbphilharmonie, damit Hamburg und damit meine Familie und Freunde für vier Monate nicht mehr sehen würde, wurde ich doch ein wenig melancholisch. Noch dazu war die Gegend nicht schön, überall nur LKWs und Container, grau an grau. Und genau in dem Moment ändert sich die Gegend um mich herum nach ein paar weiteren gefahrenen Metern. Es wurde schlagartig ruhig und ich fuhr durch ein kleines Dörfchen, durch das sich ein kleines Bächlein zog. Es wirkte wie verlassen und war so schlagartig ruhig und beschaulich, als würde es komplett ignorieren, dass einige Meter entfernt die immer gleichen Waren von A nach B transportiert wurden. Hier stand nur ein Reiher alleine in einem Teich und sah sich die Natur an. Und ich sah mir die Natur an und den Reiher, der sich die Natur ansah und mehr war da nicht. Und das war schön.
Ganz weit weg und doch so schön - Die Elbphilharmonie |
Ganz klein konnte ich sie hinten sehen und wusste, dass ich sie erst in ein paar Monaten wieder sehen würde. Und, dass sie mit jedem Meter hinter mir kleiner werden würde und der ganze Rest dafür umso größer. Und mit der Erkenntnis, dass ich die Elbphilharmonie, damit Hamburg und damit meine Familie und Freunde für vier Monate nicht mehr sehen würde, wurde ich doch ein wenig melancholisch. Noch dazu war die Gegend nicht schön, überall nur LKWs und Container, grau an grau. Und genau in dem Moment ändert sich die Gegend um mich herum nach ein paar weiteren gefahrenen Metern. Es wurde schlagartig ruhig und ich fuhr durch ein kleines Dörfchen, durch das sich ein kleines Bächlein zog. Es wirkte wie verlassen und war so schlagartig ruhig und beschaulich, als würde es komplett ignorieren, dass einige Meter entfernt die immer gleichen Waren von A nach B transportiert wurden. Hier stand nur ein Reiher alleine in einem Teich und sah sich die Natur an. Und ich sah mir die Natur an und den Reiher, der sich die Natur ansah und mehr war da nicht. Und das war schön.
Um die nahezu unberührte Natur um mich herum noch schöner wirken zu lassen, hörte ich ein wenig Musik und dann eine Folge "Fest und Flauschig" auf Spotify. Es wurde über die Musik von Philipp Poisel und Matthias Schweighöfer geredet und so hörte ich mir von beiden ein paar Lieder an, noch ein wenig was von Olli Schulz und die Meter fuhren sich größtenteils, wie von alleine. Um mich noch weiter zu unterhalten, habe ich mir dann noch das Disney-Hörspiel von "Zootopia" angehört, da der Film in der Nacht zuvor den Oscar für den besten Animationsfilm bekommen hatte. Auch wenn ich die Bilder dazu gerne gesehen hätte, hat mich die Geschichte sehr begeistert und so konnte ich mit Kino im Kopf entspannt weiterfahren.
Schau mal, was ich dort sehe, das sind doch drei kleine Rehe... |
Wenig optimistisch hatte mein Papa mir vor der Reise prophezeit, ich würde zurückkommen und sagen, ich hätte den ganzen Weg nur Gegenwind gehabt. Ich war da weniger pessimistisch und sah mich nach den ersten 50 km bestätigt, als der Wind auf einmal stärker und das Fahren schwieriger wurde. Auf geraden Strecken hatte ich mit dem vielen Gepäck keine Probleme, wenn es bergab ging, beschleunigte mich das zusätzliche Gewicht sogar, aber sobald es nur ein bisschen bergauf ging, merkte ich jedes Kilogramm, das mich aufhielt. Als der Wind dazu- und ich immer weniger weiter kam, entschloss ich mich eine kurze Pause zu machen. Ich sah mir die Natur an und drei Rehe, die sich die Natur ansahen und mehr war da nicht. Nur ein bisschen Grün und Wind. Ich konnte mich einfach mitten auf den Fahrradweg setzten, denn an meinem ersten Tag bin ich fast gar keinen Radfahrern begegnet, erst Abends, als ich ein Bremen angekommen war. Auf den Landstraßen fahren zwar auch nicht viele Autos, aber, dass ich als Fahrradfahrer so alleine sein würde, hätte ich nicht gedacht.
Immer mehr sind mir dann auch die Kreuze aufgefallen, die die Landstraßen säumen und an die zahlreichen Verkehrstoten erinnern. Ich bin nur an diesem Montag an bestimmt 15 dieser Kreuze vorbeigefahren. Das hat mich dann doch sehr erschreckt.
Außerdem ist mir immer mehr aufgefallen, dass ich von anderen Menschen komisch angeguckt werde. Am Anfang hat mich das noch sehr irritiert, aber irgendwann habe auch ich verstanden, dass ich schon etwas komisch aussehe, wie ich Ende Februar mit sehr viel Gepäck fast gar nicht befahrene Wege entlangradle und je mehr mir von fremden Menschen zugelächelt wurde und nachdem einige mich auch grüßten, freute ich mich eher darüber, als dass ich mich darüber wunderte. Circa 20 km vor Bremen bin ich noch mit einem Mann ins Gespräch gekommen, der mich so komisch beäugt hat, dass ich doch den Drang hatte, mich zu erklären. Als ich ihm von meiner Planung erzählt hatte, war er sehr begeistert, wir haben noch ein wenig geredet und er hat mir viel Glück gewünscht. Die erste von vielen solcher Begegnungen in der ersten Woche.
So kurz vorm Ende der ersten Tagesetappe, ist mir noch mal aufgefallen, wie gleich die Landschaft zwischen Hamburg und Bremen wirklich ist: Die sich sehr ähnelnden Dörfer trennt oft eine circa 20 km lange Landstraße, die sich durch Felder und manchmal auch Wälder schlängelt. Das wirkte zumindest am ersten Tag noch sehr beruhigend auf mich und ich habe das sehr genossen.
Ich machte kurz vorm Sonnenuntergang, ein paar Minuten vor 18 Uhr noch eine letzte Pause, setzte mich an eine Bushaltestelle und holte mir mit einem Franzbrötchen ein wenig Hamburg in die unbekannte Gegend. Nicht einmal eine Stunde später, fuhr ich schon am Ortsschild von Bremen entlang und war nun doch sehr erschöpft. Zusammen mit einigen Radfahrern, die von der Arbeit oder von der Uni nach Hause fuhren, sah ich mir die schöne Stadt Bremen im Vorbeifahren an und entdeckte auch das Universum-Bremen ein Museum, dass ich in der Grundschule mal besucht habe. Und in dem Moment, in dem die schönen Erinnerungen wieder hochkamen, fing es nun doch zu regnen an. Schade. Ich hätte gerne gesagt, dass das Wetter an meinem ersten Tag bis auf den Wind, der 20 km genau in meine entgegengesetzte Richtung wollte, toll war. Doch durch die gute Kleidung merkte ich den Regen gar nicht und da es schon dunkel war, sah ich ihn auch nicht. Im Prinzip war er also eigentlich gar nicht da...
Um ungefähr 19:20 kam ich dann bei meiner ersten Übernachtungsmöglichkeit an. Ziemlich fertig und mit 131 gefahrenen Kilometern hinter mir. Der Kontakt zu Kristof entstand durch eine befreundete Poetry-Slammerin. Er wohnt in Bremen mit Ben, der sich genau, wie Kristof im Lernstress fürs Studium befand und Jakob, der mir einen Stellplatz fürs Fahrrad zeigte, das WLAN-Passwort gab und mir mein Zimmer zeigte, das eigentlich einer Mitbewohnerin gehörte, die aber seit längerem in Hamburg ist. So hatte ich in der ersten Nacht ein Zimmer ganz für mich alleine. Ich habe mir noch ein paar Nudeln gemacht und mich sehr nett mit meinen Gastgebern unterhalten.
Die Poesie deiner Worte umspielt vortrefflich die Heiterkeit des seins
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